EINLEITUNG

Hochbunker Berliner Straße

Der Mülheimer Kirchenbunker heißt nicht zu Unrecht „Kulturbunker“, denn dort befindet sich seit fast 30 Jahren ein kultureller Mittelpunkt des Veedels und ein wichtiger Erinnerungsort. Verschiedene Kulturvereine haben diesem negativen Ort eine positive und kreative Seite verliehen, ohne das Gedenken an die schlimme Zeit des NS-Regimes zu vernachlässigen. Im Gegenteil: im Kulturbunker Berliner Straße erforscht die Geschichtswerkstatt Mülheim die historischen Zusammenhänge und vermittelt die Erkenntnisse einer breiteren Öffentlichkeit.

Dokumentation Hochbunker Berliner Straße, Köln
Dokumentation Hochbunker Pützlachstraße, Köln
GESCHICHTE

Bau bis 1945

Wie auch die Marktstraße (Mülheim) und Helenenwallstraße (Deutz) ist dieser Schutzbau im äußeren Erscheinungsbild dem Typus „Kirchenbunker“ des Architekten Hans Schumacher (zur Person siehe unter Hochbunker Bodestraße) zuzurechnen. Allerdings ist das Hauptmerkmal des Kirchenbunkers, der hochaufragende Turm mit Laterne, hier nicht derart ausgebildet. Der Turm überragt den Dachfirst nur um drei Meter und hat keine charakteristische Laterne.

Der Bunker wurde im Jahr 1942/43 unter Einsatz von sowjetischen Zwangsarbeitern gebaut und hatte 2.860 Schutzplätze, davon ca. 1.600 in Vorräumen und Fluren. Die restlichen Schutzsuchenden hatten fest zugewiesene Plätze in kleinen Abteilen zu sechs Personen. Es war tagsüber nur bei Fliegeralarm erlaubt den Bunker zu betreten, jedoch konnten die Berechtigten abends ihre Abteile beziehen und bis morgens bleiben.

Nicht berechtigt zum Betreten des Bunkers waren im menschenverachtenden NS-System alle, die nicht zu den sogenannten Volksgenossen gezählt wurden, also jüdische Mitbürger und die „Ostarbeiter“, welche den Bunker errichtet hatten. Bei einem Luftangriff am 04.07.1943 kamen so 25 Zwangsarbeiter in ihrem Lager an der Grünstraße ums Leben. Für den Stadtteil Mülheim kam mit dem britischen Tagesangriff vom 28.10.1944 die große Zerstörung. Dem Angriff fielen ca. 450 Mülheimer zum Opfer und ein Großteil des Stadtteils war unbewohnbar geworden.

Nach diesem „Schwarzen Samstag“ war der Hochbunker neben dem nicht ganz fertig gestellten Hochbunker an der Bergisch-Gladbacher Straße eines der wenigen unzerstörten größeren Gebäude. Die Bunkerinsassen blieben dort und wandelten sich mit weiteren obdachlos gewordenen Menschen, die dort einzogen, zu Bunkerbewohnern.

ARCHITEKTUR

BAUBESCHREIBUNG

Langrechteckiger Kubus mit aufgesetztem Satteldach und Abluftkamin als Turmanbau an der Giebelseite. Das Gebäude hat fünf Geschosse einschließlich Keller und verfügt über einen Vorbau mit zwei Eingängen, die rechts- und linksseitig zu Treppenhäusern führen. Der Turm ist mit 21 Metern nur wenig höher als der Dachfirst mit 18 Metern Höhe. Ein umlaufendes zinnenförmiges Traufgesims, das auch den Turm ziert, verleiht dem Bunker einen Teil seiner sakralen Erscheinungsform. Die Wandstärke beträgt 1,10 Meter und unter Erdgleiche 1,80 Meter, Deckenstärke 1,40 Meter. Das Dachgeschoss war ursprünglich nicht zugänglich, da es nicht als bombensicherer Gebäudeteil ausgeführt war. Auf jeder Etage befanden sich ca. 40 Abteile mit je zwei dreistöckigen Hochbetten. Im Keller waren vermutlich im Bereich des Turms die Technikräume mit Heizungs- und Belüftungsanlage sowie die Wasser- und Stromversorgung untergebracht.

FRIEDENSZEIT

Nachkriegsnutzung

Schon durch die großen Zerstörungen des Angriffs vom 28.10.1944 war der Bunker zur Notunterkunft geworden, was er bis ca. 1948 blieb und ihn wahrscheinlich vor der Zerstörungsdirektive der alliierten Besatzungsmacht schützte. Ein findiger Unternehmer pachtete den Bunker 1948 und richtete ein Hotel mit Gastronomiebetrieb ein. Die Gaststätte und ein Saal befanden sich im Erdgeschoss. Auch in der ersten Etage wurde durch Herausbrechen der Zwischenwände ein Tanzsaal geschaffen und ein Teil der Fläche wurde zur Familienwohnung des Pächters.

Das Hotel hatte ca. 100 Betten und war bei Geschäftsreisenden, Monteuren und Jugendlichen beliebt. Gleichfalls unter dem zweiten Pächter war der Bunker für die Mülheimer Vereine ein gerne genutzter Veranstaltungsort für Theateraufführungen, Tanzveranstaltungen, Karnevalssitzungen u.v.m. Dort gründete sich auch der Mülheimer Schachverein und ein Tischtennisverein trainierte im ersten Obergeschoss. Nach Schließung des Hotels 1959 wurden die Säle weiterhin kulturell genutzt, andere Räume dienten als Lager oder Proberäume.

In den Jahren 1963/64 erfolgte die Instandsetzung des Bunkers für den Zivilschutz, ohne dass bisherige Nutzungen davon beeinträchtigt wurden. Ein kurzfristiger Aufenthalt sollte so im Kriegsfall für 3.244 Menschen möglich sein. Die weitere Instandsetzung im „Vorabprogramm“ wurde am 24.08.1988 beantragt, jedoch vom Bundesinnenministerium zurückgestellt und danach nicht mehr realisiert. Im Jahr 1994 wurden durch Erlass des Bundesinnenministers alle nicht mehr instandgesetzte Schutzbauten im Eigentum des Bundes aus der Zivilschutzbindung entlassen.

Nachdem sich 1984/85 kurzzeitig das Programmkino „Stern“ im Bunker befunden hatte, wurden aus der Mülheimer Kunst- und Kulturszene Ende der 1980er die Bestrebungen zur kulturellen Nutzung des Schutzbaus verstärkt. Es wurden Theaterstücke und Opern aufgeführt, Ausstellungen organisiert und Musikgruppen Proberäume zur Verfügung gestellt. Unter dem Trägerverein Kulturbunker Mülheim e.V. wurden seit 1991 Planungen zum Umbau für die bessere Nutzung als Kultur- und Veranstaltungsort eingeleitet.

Eine große initiale Veranstaltung war die Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des „Schwarzen Samstags“ am 28.10.1994, bei der verschiedene Gruppen und Vereine die Geschichte Mülheims und des Bunkers aufarbeiteten und mittels Führungen, Vorträgen und einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich machte. Anlässlich dieser Aktivitäten entstand die Geschichtswerkstatt Mülheim, die noch heute aktiv ist und ihren Sitz im Hochbunker Berliner Straße hat. Nach umfangreichen Planungen wurde der Bunker von 1998 bis 2000 umgebaut. Es entstand an der Stirnseite ein gläserner Vorbau mit Dachterrasse für ein Cafe und das Dachgeschoss wurde mit eigener Treppe zugänglich gemacht. Dort wurden Ateliers eingerichtet und im Erdgeschoss entstanden Büro- und Seminarräume.

Bei der großzügigen Sanierung des Bunkers wurden allerdings die meisten Spuren der Vergangenheit, wie z.B. die kyrillischen Inschriften der Zwangsarbeiter, entfernt, so dass nur noch der monumentale Baukörper einen vagen Eindruck von der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Mülheim vermitteln kann.

Text: Andreas Altena

Quellen

  • - CRIFA, Öffentliche Ausstellung "Hochbunker - Integration in ein modernes Stadtbild" zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland (Köln, 8.-24. Mai 2009)
  • - Purpus, Elke/Sellen, Günther B.: Bunker in Köln – Versuche einer Sichtbar-Machung, Bd. 1 der Schriftenreihe der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln, Essen 2006.
  • - Hauptstaatsarchiv (HStA) NRW: Best. NW 112, Nr. 13-14.
  • - Historisches Archiv der Stadt Köln: Best. 713B, A88, A 144.
  • - Geschichtswerkstatt Mülheim (Hrsg.): Die Geschichte des Kulturbunkers Mülheim, Köln 2017.
  • - http://kulturbunker-muelheim.de/wir-menu/geschichte (abgerufen im August 2020)

 

Das gesamte Literatur- und Quellenverzeichnis für unsere Online-Dokumentationen finden Sie auf unserer Quellenseite.

 

Abbildungen
Bild 1: Altena, Andreas : Fotografie 8/2020 im Rahmen des hochbunker.koeln-Interviewtermins mit Bach, Peter
Bild 2: Altena, Andreas : Fotografie 8/2020 im Rahmen des hochbunker.koeln-Interviewtermins mit Bach, Peter
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