EINLEITUNG

Hochbunker Neusser Landstraße

Eine ungewöhnliche Bunkerform, ein sogenannter Winkelturm, findet sich im Kölner Norden auf dem Gelände der ehemaligen Glanzstoff-Courtaulds GmbH, heute den meisten Kölnern eher unter dem Kultur- und Veranstaltungsort „Kantine“ bekannt. Der unter Denkmalschutz stehende Winkelturm ist nach seinem Schöpfer Leo Winkel benannt und wurde ab den späten 1930er Jahren in ca. 200 Exemplaren zumeist von Firmen, aber auch auf Arealen der Wehrmacht und der Reichsbahn, gebaut.

Dokumentation Hochbunker Neusser Landstraße, Köln
Dokumentation Hochbunker Pützlachstraße, Köln
GESCHICHTE

Bau bis 1945

Der Schöpfer des Winkelturms Leo Winkel (geb. 15.09.1885, verst. 12.03.1981) hatte zunächst für die Thyssen AG Werksanlagen und Werkswohnungen gebaut, bevor er sich in der Zeit der NS-Aufrüstung und zunehmenden Luftschutzagitation im Jahr 1936 mit seiner Idee des spitz zulaufenden Luftschutzturms selbständig machte. Winkel meldete verschiedene Ausführungen zum Patent an und erhielt vom Reichsluftfahrtministerium die Genehmigung zum Bau und Vertrieb des in Niehl gebauten Typs unter der Nummer RL 3 – 40/5. Neben dem Niehler Luftschutzturm wurde in Köln ein weiterer, etwas kleinerer Winkelturm in der Schanzenstraße in Mülheim gebaut, der allerdings 1979 abgerissen wurde. Die konische Bauform sollte einerseits bombenabweisend wirken, andererseits war die oberirdische Bauart weniger druckempfindlich und materialsparend im Gegensatz zu Tiefbunkern.

Auch andere Baufirmen und Architekten entwickelten eigene, standardisierte Luftschutztürme, wie die Bauarten Zombeck, Dietel oder Züblin. Die platzsparende Hochbauweise ermöglichte es daher vielen Betrieben, solche Bunker auf dem Werksgelände unterzubringen. Die deutsch-britische Firma Glanzstoff-Courtaulds GmbH stellte seit 1928 in Niehl Kunstseide und später auch Zellwolle her und erlangte mit Beginn der Autarkie-Bestrebungen der Nationalsozialisten 1933 größere Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft. Zum Schutz der Belegschaft und der Werkluftschutz-Angehörigen wurde der Winkelturm kurz nach Kriegsbeginn zwischen April und Juli 1940 für 600 Personen gebaut. Aufgrund der frühen Bauzeit waren offenbar genügend Baustoffe vorhanden, um den Turm von außen mit Ziegelsteinen und die Turmspitze mit Schieferplatten zu verkleiden. Dies sollte in der Regel mit allen Bunkern geschehen, um das Bauwerk in die Umgebung einzufügen und ggf. aus der Luft weniger auffällig erscheinen zu lassen.

Im Krieg wurden im Winkelturm bei Fliegeralarmen Betriebsangehörige und vermutlich auch Zwangsarbeiter untergebracht, wie die erhaltenen Wandaufschriften in drei Sprachen (deutsch, französisch, russisch) nahelegen. Im unteren Geschoss befand sich der Bereitschaftsraum der Werkluftschutz-Trupps (Feuerlösch-, Sanitäts-, Werkwiederherstellungs-Trupp u.a.). Dieser war über eine Telefonleitung und ein Sprachrohr mit dem Werkluftschutz-Beobachter in der Turmspitze verbunden. Sobald der Beobachter einen Entstehungsbrand auf dem Betriebsgelände erkannt hatte, konnte er den Trupp im Untergeschoss alarmieren und dieser war in der Lage, rechtzeitig zur Brandbekämpfung auszurücken. Aufgrund der Weite des Ausblicks bestand wahrscheinlich auch eine Verbindung zur städtischen Luftschutzleitung, um ebenso über Schadenstellen außerhalb des Betriebs informieren zu können. Größere Luftangriffe erfolgten während des Krieges auf das Werk jedoch nicht.

ARCHITEKTUR

BAUBESCHREIBUNG

Kegelförmiger, verklinkerter Betonbau mit schiefergedeckter Turmspitze. Der 29,00 Meter hohe Luftschutzturm hat einen Durchmesser von bis zu 18,60 Metern am Sockel und eine Wandstärke von bis zu 2,70 Metern, die sich bis oben auf 1,10 Meter verringert. Die Turmspitze selbst ist mit 1,50 Meter wieder stärker betoniert. Der Turm verfügt über vier Eingänge und Gasschleusen, die sich versetzt im Erdgeschoss und auf den ersten Etagen (Zugänge über Treppen) befinden. Im Inneren steigen die Räume über dem Untergeschoss schneckenhausartig an und bilden 16 Halbgeschosse, die bauartbedingt nach oben hin kleiner werden. In der Mitte des treppenartigen Aufgangs befinden sich auf jeder Halbetage einzelne Toilettenräume. Technische Einrichtungen wie elektrische Anlagen und Sicherungskästen waren im Untergeschoss, unterhalb der Turmspitze befindet sich die Schutzluftanlage der Firma Draeger, Lübeck.

FRIEDENSZEIT

Nachkriegsnutzung

Von den zahlreichen Bauten der Firma Glanzstoff-Courtaulds GmbH in Köln-Niehl existieren heute noch das Verwaltungsgebäude von 1929 und der Luftschutzturm. Aufgrund der eigentümlichen Form der Innenräume war eine Nutzung für zivile Zwecke offenbar immer schwierig. Der Winkelturm diente zeitweise als Lager und wurde zuletzt als Atelier und Partyraum eines Künstlers genutzt, bevor die CRIFA den Bunker erstmals beim Tag des offenen Denkmals im Jahr 2005 einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machte. Seitdem wird der Bunker als Außenstelle des Kölner Festungsmuseums e.V. geführt und kann nach Anmeldung an jedem dritten Samstag im Monat besichtigt werden.

Quellen

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